Ich war im Kino...

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MovieMan
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ZWEIGSTELLE

#1051 

Beitrag von MovieMan »

Eine Gruppe junger Erwachsener macht nach einem Verkehrsunfall eine ganz besondere Erfahrung mit dem Tod. Nach dem Ableben findet man sich in der Zweigstelle wieder, wo entschieden wird, was denn nun mit der Seele geschehen soll. Die Möglichkeiten sind vielfältig, die dahinterstehende Bürokratie noch wesentlich vielfältiger.

Selbst nach dem Tod hat man keine Ruhe vor deutscher Bürokratie. Man nimmt sich dieser Thematik von der heiter-absurden Seite an. Bevor man "weiter" darf, nachdem der Löffel denn abgegeben ist, ist ein Labyrinth aus Vorschriften zu durchlaufen. Es besteht dabei auch die Gefahr, dass man sich verläuft.
Für mich ist der Film wie gemacht, denn (noch im Diesseits) bin ich ja auch Teil der Verwaltung, auch wenn ich die Gesetzte nicht schreibe (und viele sicherlich auch nicht geschrieben hätte :nicky: ). Zu großen Teilen konnte ich als Verfechter des Pragmatimus und einfach umzusetzender Gesetzte den Wahnsinn gut nachvollziehen.
Mit großer Spielfreude gehen die Akteure in ihren Rollen auf. Gehalten ist dies in bayrischem Lokalkolorit, was die Sache aber nicht weniger witzig macht.
Als bürokratischer Aufhänger dient der Glaube des Verblichenen, egal in welche Richtung. Als zentrale Frage wird aber auch aufgegriffen, was mit Seelen geschieht, deren Inhaber an nix geglaubt haben. Sicherlich wird für einige die Auflösung nicht so ganz zufriedenstellend sein, aber wie sollte das auch, denn wer weiß schon was da so kommt.

Gegen Ende geht der Komödie/Satire leicht die Luft aus, sodass bei einer Gesamtspielzeit von ca. 98 Minunten auch 10 Minuten weniger nicht schlimm gewesen wären.

Ich habe mich über die Spielzeit köstlich amüsiert, auch wenn das Thema ja grundsätzlich traurig angehaucht ist. Trotzdem gut, dass man sich auch mal getraut hat, das Thema von der heiteren Seite anzugehen. Leider läuft der Film fast ausschließlich in Programmkinos. M.E. hätte er ein breiteres Publikum verdient.
bild 7.55 Software 5.4.6.0, Vodafone Kabel TV, AVR Yamaha RX-A1080, Panasonic UHD 9004, Elac FS und CC 189 + TS 3030 + WS 1235 + Sub 2030 als 5.1.2 System, PS3, ATV4K

Kino ist das Größte !!! Geht mal wieder hin.

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AMRUM

#1052 

Beitrag von MovieMan »

Während gegen Ende des 2. Weltkrieges die Russen schon kurz vor Berlin stehen, lebt der 12jährige Nanning (J. Billerbeck) mit seiner schwangeren und Nazi-überzeugten Mutter (L. Tonke) sowie den Geschwistern in einem Haus auf Amrum. Er muss die Familie mit seinen Kräften unterstützen, umso mehr als seine Mutter dann auch noch erkrankt. Obwohl sich Amrum geographisch fernab der Kriegswirren befindet, muss Nanning immer mehr mit dessen Auswirkungen zurechtkommen, was ihn des Öfteren überfordert.

Es handelt sich um Erlebnisse von Kultregisseur Hark Bohm (Drehbuch), die jetzt in einem Film von Fatih Akin (als Regisseur und Co-Drehbuchautor) inszeniert wurden.
Im Vordergrund stehen die schauspielerischen Leistungen, vor allem von J. Billerbeck. Es ist ein Vergnügen, ihm bei der Entwicklung der Figur zuzusehen. Ein kurz vor der Pubertät stehender Junge, der seine Mutter abgrundtief liebt, versucht, ihr jeden Wunsch zu erfüllen und trotzdem vielfältige enttäuschende Erkenntnisse sammeln muss. Insbesondere die Mimik des Jungschauspielers ist hervorragend in Szene gesetzt worden.
Ein weiteres Highlight ist L. Tonke. Sie muss Sätze aussprechen, die dem Kinozuschauer die Kehle zuschnüren und trotzdem bleibt es authentisch und nachvollziehbar. Weitere, kleinere Nebenrollen sind u.a. mit D. Kruger, D. Buck und M. Schweighöfer besetzt. Kruger und Buck kommen trotz weniger Leinwandpräsenz noch ganz gut rüber, den (sehr kurzen) Handlungsstrang mit Schweighöfer hätte man sich sparen können.

Oftmals wird in Mundart gesprochen, nicht nur Plattdeutsch sondern auch in einem besonderen Dialekt der Insulaner, welchen selbst ich als Norddeutscher kaum mehr verstehen kann. Glücklicherweise werden Untertitel eingeblendet.

Zunächst am Rande, dann aber immer deutlicher wird auch die Spaltung der Gesellschaft thematisiert, die durch den Führerkult sowie der persönlichen Schicksale der Figuren bedingt ist.

Der geschichtlichen Stimmung entsprechend sind die Farben meist ausgeblichen. Sehr stilisiert werden manche Szenen zu fast reinen Fotografien, wenn die Kamera auf der Stelle verharrt. Hier zeigt sich dann trotz der Kriegsthematik die landschaftliche Idylle der Insel, inklusive Nachtaufnahmen.

Besondere Botschaften enthält der Film nicht, denn er zeigt ein Familiendrama als ganz persönliche Erinnerung eines der Filmemacher und trägt dazu bei, Erinnerungen von Zeitzeugen an diese schlimme Zeit gegenwärtig zu halten.

Im wahrsten Sinne des Wortes höchstpersönliches Familiendrama einer deutschen Filmlegende mit einem herausragenden Jungdarsteller in der Hauptrolle und einer sehr gut aufspielenden L. Tonke.
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