Ich war im Kino...

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MISSING

#651 

Beitrag von MovieMan »

Teenager June soll ihre Mutter vom Flughafen abholen nachdem diese mit ihrem neuen Freund in Kolumbien Urlaub gemacht hat während June allein in LA geblieben ist. Als weder Mama noch Freund auftauchen setzt June alle Tasten in Bewegung, um ihre Mutter zu finden. Per PC nimmt sie Kontakt zu Menschen und Behörden vor Ort in Kolumbien auf. Jeder Schritt, der Richtung Auflösung geht, birgt zugleich ein neues Geheimnis.

Letztendlich sieht der Kinozuschauer einem Teenager beim Computern zu. Es gibt nur Bilder über den PC oder über Webcams bzw. Handys zu sehen.
Glücklicherweise sind die Texte voll lokalisiert (d.h. ins Deutsche übersetzt), denn es fällt schwer, beim Lesen mit dem Scrollen Schritt zu halten.
Obwohl sich das Geschehen sehr stationär gestaltet, entfaltet sich trotzdem eine gehörige Dynamik samt Spannungsbogen. Geschickt werden immer wieder neue Personen in das Geschehen einbezogen und neue Fährten gelegt, die manchmal auch in die Irre führen. So kann die Spannung recht gut gehalten werden, der Spannungsbogen reißt jedenfalls nie ganz ab.
Diese Art von Film verlangt dem Zuschauer mehr Aufmerksamkeit ab, da dieser mitunter ordentlich mitlesen muss, um Informationen zu sammeln. Der Zuschauer wird damit auch in eine Art Ermittlerrolle gedrängt.
Das ist spannend genug, sodass die mitunter Mittelmäßigkeit der Darsteller nicht groß ins Gewicht fällt.

Spannender Thriller für zwischendurch mit einer ganz eigenen Machart und Wirkung, auch wenn dieses Vorgehen nicht mehr ganz neu ist.
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AFTERSUN

#652 

Beitrag von MovieMan »

Die 11 jährige Sophie (F. Corio) fragt ihren Vater Calum (P. Mescal) in einem gemeinsamen Vater-Tochter-Urlaub in der Türkei was er als 11 jähriger erlebt hat bzw. wie er sich die Zukunft vorgestellt habe. Diese Frage erzeugt ungeahnt Unmut, soll doch der gemeinsame Urlaub aufgrund der frisch vollzogenen Trennung der Eltern für Sophie möglichst unbeschwert sein. Und so ist es dann auch, sie verbringen eine meist gute Zeit miteinander, an die sich Sophie Jahre später wieder zurückerinnert.

Das Coming-of-Age Drama thematisiert die Erinnerungen an Geschehnisse in eigenen Lebenssituationen vermischt mit einer neuen Wahrnehmung, welche vom Zeitpunkt der Betrachtung abhängig ist. Hier wird das ganze gefühlvoll jedoch höchst melancholisch gestaltet. Nostalgie, Abschied, Schmerz, Verständnis und Neubeginn werden in dieser Geschichte inszeniert, die oberflächlich gesehen wie ein zusammengestückeltes Urlaubsvideo wirkt, tiefergehend aber vermischt mit den filmgewordenen Visionen der Protagonistin in der "Nachschau" der Ereignisse eine eigene Gefühslwelt offenbart.
Einerseit sind die Szenen und Dialoge völlig banal und fast beiläufig, doch der Ablauf von Zeit enfaltet eine ganz (neue) persönliche Bedeutung und Empfindung.
Damit wird auch der Zuschauer auf seine eigene Zeitreise in die Vergangenheit gesandt, mit dem Blick von heute. Das dürfte jedem Kinogast sein eigenes filmisches Erleben bescheren, da bestimmte Szenen auch Raum für Interpretationen lassen.
Insofern ist der Regisseurin C. Wells mit ihrem Langfilmdebüt ein riesen Wurf gelungen, welcher zu Recht auf den Filmfesten gefeiert wird.

P. Mescal ist mit seiner Rolle als liebevoller Vater für den Oscar nominiert. Er spielt auch sicherlich nicht schlecht, doch wird von der grandiosen F. Corio mühelos in den Schatten gestellt. Die von ihr mitgebrachte Natürlichkeit lässt einen förmlich dahinschmelzen.
Ein weiterer Star ist die Kamera. Das Geschehen wird oftmals aus ungewöhnlichen und statischen Perspektiven indirekt (z.B. als Spiegelung) eingefangen.
Damit wird ein fast unwirkliches Gefühl vermittelt, passend zu Erinnerungen an eine vergangene Zeit. In diesen Szenen werden filmerische Glanzpunkte gesetzt.

Euphorisch lässt einen die Geschichte nicht zurück. Dazu ist sie viel zu melancholisch. Selten war es bei einer Filmvorstellung im Kino so still. Und als hätte der Betreiber ein Einsehen mit den Zuschauern, wurde das Saallicht auch erst ganz nach dem Abspann fast vorsichtig hochgedimmt. Genügend Zeit sich vorher nochmals durch das Gesicht zu wischen und das Taschentuch schnell zu verstauen, wie ich es bei dem einen oder anderen gesehen habe, um dann nahezu wortlos den Saal zu verlassen. Heiterkeit musste hier wohl purer Ergriffenheit weichen.

Tief ergreifendes und melancholisches Filmstück mit einem tollen Darsteller und einer noch tolleren Darstellerin mit szenisch klasse geführter Kamera.
C. Wells hat begriffen, wie man Zuschauer emotional abholt.
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WHAT'S LOVE GOT TO DO WITH IT?

#653 

Beitrag von MovieMan »

Dokumentarfilmerin Zoe (l. James) ist Single und nutzt erfolglos Dating-Apps. Zudem muss sie sich den Versuchen ihrer Mutter Cath (E. Thompson) erwehren, die sie dauernd verkuppeln will. Währenddessen steht die Vermählung des aus Kindheitstagen pakistanischen Freundes Kaz (S. Latif) aus der Nachbarschaft an. Es ist vorgesehen, nach pakistanischer Tradition eine von den Eltern arrangierte Ehe einzugehen, bei der man seinen Partner erst nach der Hochzeit kennenlernt. Zoe nimmt diese Gelegenheit wahr, um eine Dokumentation über diese Praxis zu drehen. Ihr anfängliches Unverständnis fängt langsam an aufzuweichen.

Romantische Liebesdramödie eingepackt im Culture-Clash. Von reiner Komödie will ich hier mal nicht reden. Zwar sind viele Stellen auch amüsant, zuweilen aber lässt sich ein ernster Hintergrund nicht wegdiskutieren. Dennoch sorgen erheiternde Augenblicke immer wieder für eine Abwechslung im Liebesgewirr, sei es der ultimative Matchmaker Mo oder Zoes feier-, alkohol- und kupplerfreudige Mutter, die schön überkandidelt von der hinreißenden E. Thompson gespielt wird.
L. James spielt zuckersüß und S. Latif einen mehr als passenden männlichen Gegenpart. Die Chemie stimmt untereinander, sodass sich diese positive Grundstimmung auch auf den Zuschauer überträgt.

Ob der Versuch, die u.a. pakistanische Praxis einer arrangierten Ehe aus genügend Richtungen zu beleuchten, gelungen ist, kann ich nicht beurteilen. Zumindest kann man den Machern einen ernsthaften Versuch attestieren.

Kurzweiliges romantisches Liebesvergnügen mit etwas höherem Dramaanteil und mit sehr gut interagierenden Darstellern.

Übrigens entspricht der Filmtitel auch einem alten Songtitel von Tina Turner. Der Song wird im Film aber nicht gespielt.
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WANN WIRD ES ENDLICH WIEDER SO, WIE ES NIE WAR

#654 

Beitrag von MovieMan »

Der 7jährige Joachim (u.a. A. Bultmann) lebt mit seiner Familie auf einem Klinikgelände für psychisch Kranke. Er sowie sein Vater (D. Striesow), Direktor der Klinik, pflegen einen ungewöhnlich engen Kontakt zu den Probanden. Doch im Laufe der Zeit bricht die vermeintliche Idylle auf, insbesondere als Joachims Mutter (L. Tonke) ihr Missfallen mit der Situation äußert und Joachim erkennen muss, dass das Leben nicht ausschließlich glücklich ist.

Der Film ist nach einer autobiographischen Romanvorlage inszeniert und episodenhaft angeordnet. Zeitlich ist er in den Jahren der 70er bis ungefähr den frühen 2000ern angesiedelt. Thematisiert wird das Leben von Joachim als kleiner Junge, Teenager und junger Erwachsener. Dabei werden typische Probleme der jeweiligen Altersstufen verarbeitet, insbesondere aber auch die Wirkung einer zerbrechenden Ehe auf ein Kind samt seinen Verlustängsten und Ohnmachtsgefühlen bis hin zur eigenen ersten Liebe und den Umgang mit Enttäuschungen - im Grunde eine Coming of Age Geschichte. Alles ist jedoch mit dem Leben zwischen psychisch kranken Menschen verknüpft.
Irgendwie plätschert die Handlung so dahin, fast im Dokumentarstil. Die Schauspieler mühen sich zwar redlich , insbesondere A. Bultmann, L. Tonke und D. Striesow, aber alles wirkt seltsam gefällig und wirklich herausragende Leistungen bekommt der Kinozuschauer nicht zu sehen.
Auch übermäßige Spannung entsteht nicht. Die psychisch Kranken geben sich krankheitsbedingt eigenwillig aber ziemlich sympatisch, die harte Seite einer Psychiatrie wird ausgeblendet, das wirkt zuweilen unrealistisch, ja fast romantisiert.

Vernünftige Leistung eines Darstellerteams soweit das Drehbuch es zulässt in einem eher spannungsarmen deutschen Coming of Age Drama.
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CREED III: ROCKY'S LEGACY

#655 

Beitrag von MovieMan »

Auf dem Höhepunkt seiner Boxerlaufbahn trifft Adonis Creed (M.B. Jordan) auf seinen alten Freund Damian, der einen Gefallen aus Jugendzeiten einfordert. Widerwillig gibt Adonis nach und bringt sich damit beruflich und familiär in gehörige Schwierigkeiten. Er muss sich entscheiden, ob er seiner Linie treu bleiben oder Damian stoppen will.

Warum der Name ROCKY im Filmtitel überhaupt noch auftaucht ist nicht nachzuvollziehen. Stallone spielt im wahrsten Sinne des Wortes keine Rolle, auch nicht in der Geschichte dieses Films. Ich kann mir vorstellen, dass der Name als Zugpferd, aus Promotionzwecken in den Titel hineingernommen worden ist, denn das Ergebnis hinsichtlich eines Filmerlebnisses ist ehrlich gesagt schwach.
Die Konzeption der Geschichte geht nicht auf. Hauptgrund ist für mich, dass es an einer Identifikationsfigur in diesem Film fehlt. Dazu taugt weder Creed noch sein Kontrahent Damian. Letztlich handelt es sich um ein Freundschaftsdrama mit Boxeinlage, an dem Außenstehende wie die Kinogänger keinen Anteil nehmen.
Rocky I begeisterte durch die Geschichte des Underdogs, Rocky IV durch den (zugegebener Maßen maßlos übertrieben pathetischen) Kampf West gegen Ost (hat aber vorzüglich in den 80ern funktioniert). Von all dem ist hier nichts zu spüren, ungeduldig wartet man auf den nächsten Kampf, damit etwas Action auf die Leinwand kommt und ein Einschlafen verhindert wird. Und die Abschlussszene zwischen Adonis und Damian wirkt angesichts der ersten Rocky Filme fast lächerlich und völlig uninspiriert.
Dazu kopiert man das Training für den Entscheidungskampf mehr als lieblos aus ROCKY IV und auch der Endkampf bleibt insgesamt blass. Ich konnte kaum mitfiebern. Zudem fehlte mir ein aufreibender Score, der die Handlung passend unterstützt hat. Rocky Fanfare, Trainingsmontage, etc., dergleichen findet man hier nichts.
Das Einzige, was mir wirklich gefallen hat, ist, wie man den Endkampf optisch in Szene gesetzt hat. Dynamische Innenfights mit Slowmotion- und Stoppmotionaufnahmen sind wirklich gut gelungen. Und die Entscheidung, den Fight in der Mitte "auszukoppeln" (müsst ihr sehen, damit ihr wisst was ich meine) hat mir ebenso gut gefallen. Doch das reißt die sonstige extrem schwache und unspannende Inszenierung nicht heraus.

Überraschend unspektakulärer Boxerfilm ohne Identifikationspotential, der mit ROCKY nicht mehr viel gemein hat. Lieber nochmals die ersten 4 Filme mit Stallone sehen, insbesondere auch ROCKY IV, der einen sensationellen aufpeitschenden Score aufweisen kann. Den höre ich heute noch gern.
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SONNE UND BETON

#656 

Beitrag von MovieMan »

Sommer 2003 im extrem heißen Berliner "Stadtteil" Gropiusstadt (Berlin Neukölln): Die jungen Lukas, Gino und Julius müssen sich der Gewalt der die Gegend beeinflussenden Gangs erwehren, zumal Lukas Opfer von Schutzgelderpressung wird. Zusammen mit dem neuen Mitschüler Sanchez wird ein Plan ausgeheckt, wie man an das notwendige Geld kommen könne. Dadurch begeben sich alle Beteiligten noch weiter in Gefahr.

Der optimale Film um zu Depressionen zu gelangen, eine wirkliche Abrissbirne für jeden Anflug von Fröhlichkeit und Zuversicht. Bis auf die wirklich letzte Szene kann man zwei Stunden die Hoffnung auf eine bessere Menschheit verlieren: Ganggewalt, das Leben in ausnahmslos prekären Familienverhältnissen, Verbrechen als Regelzustand, Kapitulation der Schule und Bildung, kaputte/vulgäre Sprache sowie Gewalt in allen Facetten - kurzum: die totale Abwesenheit von Positivem und Lebensperspektive.
Das mehr als authentische Gefühl beim Betrachten dieser eigentlichen Zumutung ist das wirklich Schlimme. Die Darsteller wirken so überzeugend, dass man kaum umhin kommt, zu denken, dass hier eine Dokumentiation eines sozialen Brennpunktes läuft. In der Wirkung ist der Film ähnlich schwer zu verkraften wie SYSTEMSPRENGER. Die Untermalung mit aggressivem Rap steigert das düstere Empfinden noch. Trotz Hochsommers und viel Tageslicht im Film empfand ich das Gezeigte so düster wie das Aussehen von THE BATMAN.
Nicht falsch verstehen, ich fand den Film überaus gelungen und spannend. Der Cast ist toll, alle "spielen" engagiert. Doch die Gnadenlosigkeit und Hoffnungslosigkeit des Gezeigten lässt mich sprachlos zurück. Nur in der letzten Sekunde vor dem Abspann keimt ein zarter Hauch von Hoffnung auf, an die man aber nach den zwei vorangegangenen Stunden kaum mehr glauben kann.
Dass hier irgendetwas beschönigt wird, kann man den Machern garantiert nicht vorwerfen.

Überaus hart inszenierte Verfilmung eines Erfolgsromans, die den Zuschauer kopfschüttelnd und depremiert das Kino verlassen lässt.
Danach muss man erstmal durchatmen und es verlangt nach etwas Freundlichem und Positivem.
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TÁR

#657 

Beitrag von MovieMan »

Als erste weibliche Chefdirigentin eines großen deutschen Orchesters (Berliner Philharmoniker) steuert Lydia Tár (C. Blanchett) auf den Höhepunkt ihres Wirkens hin, der Vollendung eines orchestralen Zyklus mit der Aufführung von Mahlers 5. Sinfonie. Doch mit fortlaufender Dauer der umfangreichen und zeitraubenden Proben offenbaren sich berufliche und private Risse in der Welt/dem Leben der Ausnahmedirigentin. Das Ziel scheint gefährdet.

Zunächst muss ich gestehen, dass ich dachte, es handelt sich um eine Biographie einer real existierenden Person. Dem ist aber nicht so, die Figur der L. Tár ist frei erfunden. Es handelt sich um eine Person, die ihr Schaffen als Obsession vor sich her trägt. Alles und Jede(r) muss sich ihr und ihren Zielen unterordnen, auch ihre Ehefrau (N. Hoss). Das schafft ein Bild einer sachlichen und gefühlskalten Person, die noch nicht mal in Gegenwart ihrer kleinen Tochter richtig auftaut. Durch die Wahl einer weiblichen Person wird das führende Patriarchat abgelöst.
Mit C. Blanchett wurde die Hauptrolle optimal besetzt. Ihre Wandelbarkeit in den Rollen sowie ihr großes darstellerisches Talent und Können wird in fast jeder Sekunde dieses Films zelebriert. Wenn sie über klassische Musik schwadroniert oder mit Worten jongliert sowie mit ausladender Gestik ihrem Spiel Ausdruck verleiht und eine Attitüde an den Tag legt, als wäre das alles das Normalste von der Welt und das Spiel dennoch mit einer irritierenden Leichtigkeit versieht, dann ist die Oscarnominierung für die beste Hauptrolle allemal mehr als verdient.
Der Film lebt geradezu von dieser Darstellung. Als "Gewissen" hat man ihr eine Ehefrau zur Seite gestellt, die ebenso hervorragend durch N. Hoss verkörpert wird, deren Rolle zwar ebenfalls leicht kühl aber menschlich trotzdem wesentlich nahbarer wirkt und einen gewissen Ausgleich zu dem Übermenschen Társ gibt.

Optisch ist die Farbgebung eher trist und leicht entsättigt. Das unterstreicht den kühlen Charakter der Hauptakteurin. Auch das teils funktionale, karge Wohndesign fügt sich damit stimmig in die Gesamtstimmung des Films ein.

Musikalisch herrscht Klassik vor.
Dennoch braucht man keine Kenntnisse in dieser Richtung. Man kann die Beweggründe des Hauptcharakters auch so nachvollziehen.
Geräuschakustisch sind einzelne Szenen detaillliert herausgearbeitet und mit einer sehr guten Räumlichkeit versehen. Diese Szenen sind eher leise, sodass man auf ein akustisch zurückhaltendes Kinopublikum angeweisen ist, damit diese Szenen ihre Wirkung und die storytechnische Bedeutung entfalten können.

Inhaltlich wird durch immer weiter aufkommende Enthüllungen um L. Tár auch ein Spannungsbogen erzeugt, welcher sich bis kurz vor Ende langsam aber stetig steigert, ohne die Handlung komplett zu bestimmen.

Großes, imsopsantes Dialogkino über eine Besessene, eine Machtperson, die mehr als herausragend von C. Blanchett dargestellt wird.
Allein für diese Performance lohnt sich der Gang in das nächste Lichtspielhaus.
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LUCY IST JETZT GANGSTER

#658 

Beitrag von MovieMan »

Die 10jährige Weltverbesserin Lucy ist fest in dem Glauben verankert, dass jedes Problem mit der richtigen Eissorte angegangen werden kann. Auf den Gedanken kann man aber auch nur kommen, wenn die Eltern Eisverkäufer sind. Dennoch ist Lucy bei allen Bewohnern aufgrund ihrer positiven Lebenseinstellung extrem beliebt und überzeugt, dass das Leben als „guter Mensch“ davor schützen kann, dass „die Welt umkippt“. Doch eines Tages versagt die Eismaschine ihren Dienst und eine Neuanschaffung können sich die Eltern finanziell nicht leisten. Schnell wird klar, dass dieser Umstand erheblichen und negativen Einfluss auf das Leben eines Jeden in dem kleinen Ort hat. Als dann auch noch Onkel Carlo meint, dass ein Jeder Gauner werden kann, entschließt sich die Kleine, die notwendigen Mittel auf vielleicht nicht ganz legale Art zu beschaffen. Unterstützung erhofft sie sich durch den rotznäsigen Klassenrowdy Tristan. Doch die Wandlung vom Paulus zum Saulus will Lucy nicht so recht gelingen.

Der Anfang des Films mit der Vorstellung der Charaktere hat mich irgendwie an den Film DIE FABELHAFTE WELT DER AMELIE erinnert. Der Look der Umgebung sowie die naiv positive Lebenseinstellung scheint zwar einem Ideal zu entsprungen, lässt jedoch zu keiner Zeit einen Zweifel dahingehend aufkommen, dass es schließlich so fantastisch toll sein muss. Auch die benutzten Gegenstände, etc. scheinen aus allen Zeiten in diesen Film gefallen zu sein. Die Autos sind eher 70er, die Uniformen der Polizei auch, Kinder haben einen old-school Lederranzen (tolles Wortspiel), trotzdem existieren Flachbildschirme und man benutzt Bluetooth-Headsets, ein Mix aus Nostalgie und Moderne und trotzdem das scheinbar Normalste von der Welt. Während solche Ungereimtheiten bei vielen Filmen als lästige Fehler betrachtet werden, stört das hier nicht im Geringsten. Es ist einfach zu schön, es solle doch bitte tatsächlich auch „wahr“ sein.

Der Film ist mit Liebe inszeniert und bringt das Positive stets in den Vordergrund, selbst dann wenn es um scheinbar unüberwindliche Hindernisse geht. Der Ton untereinander ist stets freundlich und als Gegensatz im Rahmen der Figur des Tristan zwar etwas rotzig und unflätig doch niemals vulgär und Fäkalsprache kommt erst gar nicht vor.
Dieses idealisierte Lebensbild wird dabei auf den Zuschauer übertragen und so ist es ein Vergnügen, Lucy dabei zuzusehen wie sie sich verbiegen muss, um das Problem zu lösen.

Diese Inszenierung ist somit das komplette Gegenteil von SONNE UND BETON.
Hier geht die Hoffnung nie unter.

Schauspielerisch hat man den Hauptpart eineiigen Zwillingen übertragen, die ihre Sache mit Bravour meistern. Den Wechsel zwischen den jungen Darstellerinnen merkt man nicht.

Äußerst vergnügliches Familienkino für Jung und Alt mit Betonung auf eine positive Lebenseinstellung als Angebot, welches man nicht ablehnen kann, schon allein, damit die Welt nicht umkippt.

Funfact am Rande: Während der Dreharbeiten wurde keine Kugel Eis verbraucht. Es soll eingefärbter Frischkäse gewesen sein, der schmilzt nicht so schnell.
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SCREAM VI

#659 

Beitrag von MovieMan »

Die Protagonisten aus dem letzten Teil versuchen in NYC wieder Fuß zu fassen und nach dem letzten Woodsboro Massaker Ruhe vor Ghostface zu finden. Sam und Tara (J. Ortega) sowie Mindy und Chad haben es sich im Big Apple gemütlich eingerichtet und versuchen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Doch Ghostface steht plötzlich wieder auf der Matte und macht Jagd auf die letzten Überlebenden aus Woodsboro. Die Vier sind in keinem Winkel der Stadt mehr richtig sicher. Ghostface mordet sich kontinuierlich immer weiter an das Quartett heran. Die Polizei ist nicht so richtig eine Hilfe und ungeahnt auftauchende Personen aus der gemeinsamen Vergangenheit auch nicht. Es ist nur eine Frage der Zeit bis es einen der Vier erwischt.

Aus dem kleinen verschlagenen Städtchen Woodsboro setzt man nun auf ein erweitertes Terrain. NYC bietet z.B. mit seinen dunklen Seitenstraßen und der Metro optimale Schauplätze, eine Mörderhatz eskalieren zu lassen. Etwas mehr hätte man die Stadt dann aber trotzdem einbinden können, das Potential wird da nicht ganz ausgeschöpft.
Ghostface geht fast gnadenloser, brutaler und blutiger denn je vor. Dennoch bedient sich dieser Teil zusätzlich einer gehörigen Portion Action. Die Inszenierung bietet nur kurze Verschnaufspausen, dann geht es schon wieder los. Der Action- und Spannungslevel wird konstant hochgehalten, das Misstrauen der Figuren untereinander sowie angedeutete Verschwörungstheorien und Twists helfen da ordentlich mit.
Schauspielerisch ist man weg von einem überzogenen Gekreische, Furcht und Panik stehen im Vordergrund.
Storymäßig ist es hilfreich, die vorangegangenen Teile gesehen zu haben.

Objektiv geht es blutig und brutal zu Werke, manche Szenen erinnern an die letzten beiden Filme aus der HALLOWEENreihe. Doch im Vergleich zu einem THE SADNESS oder THE PROJECT WOLF HUNTING ist das hier nur Kinderkram, obschon ein Eintritt nachvollziehbar erst ab Volljährigkeit gewährt wird.

Wider meine Erwartungen erstaunlich unterhaltsamer Slasher mit hohem Actionanteil, der die Serie an einen anderen Ort versetzt, da das Kleinstadtklischee auch ausgelutscht ist.
Und ich würde niemals, also wirklich niemals auf die Idee kommen, an Halloween in NYC mit der Metro zu fahren – ne wirklich nicht, auf gar keinen Fall.

Übrigens saß zwei Sitze neben mir eine Person in voller Ghostface-Montur im Kino (war ja eine Vorpremiere) – wie beruhigend.
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65

#660 

Beitrag von MovieMan »

In der Zukunft: Die Tochter des Raumschiffpiloten Mills (A. Driver) ist krank. Um finanzielle Mittel für die Behandlung zu erwirtschaften nimmt er einen zwei Jahre andauernden Job im Rahmen einer Mission quer durch die Galaxis an. Durch einen Defekt ist er gezwungen, auf einem unbekannten Planeten notzulanden. Der Ort erweist sich als unwirtlich. Zudem muss er sich um die kleine überlebende Koa kümmern. Gemeinsam versuchen Sie, den Planeten wieder zu verlassen.

Was sich zunächst nach einem Scifi-Bombast Thriller anhört, auch wenn man den Namen des Hauptdarstellers liest, entpuppt sich um ein paar Nummern kleiner. Storymäßig besteht eine Mischung aus ENEMY MINE und JURASSIC PARK mit einer Prise PREDATOR, was als Survivaldrama mit Actionelementen ausgearbeitet ist. Viele Personen kommen nicht vor, sodass der Cast überschaubar ist und A. Driver schauspielerisch den Film und die Handlung fast allein tragen muss. Er ist gut genug, dass in einer solchen Inszenierung zu schaffen, auch wenn die große Tiefe der Figur ausbleibt.
Glücklicherweise hat man von einer Überlänge abgesehen, die Spielzeit gestrafft und damit Leerlauf weitestgehend vermieden. Folglich ist die Spannung auf einem hohen mittleren Niveau und nicht allzu schwankend.

Auch technisch ist alles eine Nummer abgespeckter. Die visuellen Tricks sind sehr ordentlich, können mit den Super-Blockbustern zwar nicht ganz mithalten, doch schämen müssen sich die Macher auch nicht. Die Kreaturen sind meist toll in die Szenerie eingefügt und mit modernem Gerät lässt man hier den Protagonisten auch hantieren. Bei Betrachtung des genutzten Umgebungscanners musste ich an eine Mischung eines Tricorders aus STAR TREK und dem Scanner aus ALIEN denken.
Der Sound ist sehr gut gelungen, dynamisch und differenziert sowie zuweilen raumfüllend.

Wer mit nicht zu hohen Erwartungen in den Film geht und Bombast-Maßstäbe ala MARVEL oder STAR WARS ansetzt, wird mit einem soliden Scifi-Survival-Actioner belohnt, den man sich gut ansehen kann.
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DIE FABELMANS

#661 

Beitrag von MovieMan »

Der jüdische Sam Fabelman wird in den 1950ern als kleiner Junge von seinen Eltern mit in ein Kino genommen. Paralysiert von dem Geschehen auf der Leinwand macht er sich daran, seine Eindrücke selbst durch Filmen zu verarbeiten. Durch einen Umzug in eine neue Gegend muss der Teenager sich nicht nur dem antisemitischen Verhalten der Mitschüler entgegensetzen sondern auch der Erkenntnis, dass in der Familie Fabelman nicht alles nach Friede, Freude und Eierkuchen aussieht. In der Arbeit hinter der Kamera versucht er, dennoch einen Ausweg zu finden.

Persönlicher geht es wohl kaum. Spielberg verfilmt seine eigene Kindheit. Die Geschichte soll in hohem Maße autobiographisch geprägt sein.
Wie nicht anders zu erwarten, packt Spielberg das im Sinne des Erzählkinos an, wie es eigentlich fast nur noch er heute beherrscht, als hätte er es erfunden.
Mich hat der Film schon in den ersten Minuten gepackt. Als ich den kleinen Fabelman habe auf die Leinwand starren sehen, fühlte ich mich in das Jahr 1978 zurückversetzt, wo ich mir genau mit diesem Ausdruck STAR WARS angesehen habe und meine Leidenschaft für Filme eine Initialzündung erhielt, die bis heute andauert.
Die Erzählweise ist fernab dem heute innewohnenden Durchhecheln der Figuren, sie lässt den Figuren Raum, Tiefe und Zeit. Auch ein Nebendarsteller wie J. Hirsch erhält einen zwar kurzen dafür aber einprägsamen Moment im Film, der zu Recht mit einer Oscar Nominierung bedacht wurde.
Und M. Williams als Mutter spielt sich fast die Seele aus dem Leib, ebenfalls mit einer Oscar Nominierung. Wie selten schafft Spielberg es, den Zuschauer in Emotionen zu verstricken, da er durchaus den Figuren Identifikationspotential zugesteht mit einer von ihm eingebrachten persönlichen Note, deren Ehrlichkeit bewunderswert ist.
Da zeigt sich wieder, dass großes Kino der Transport einer Geschichte an den Zuschauer mittels einer Emotion ist. Das beherrschen in diesem Ausmaß nur wenige Filmemacher.
Technisch sind die Farben gefiltert, um dem Film den Look der idealisierten 50er zu verpassen. manchmal überstrahlt das Bild, wobei ich mir nicht sicher bin, ob es sich um ein Stilmittel handelt. Man könnte es als Ausdruck einer idealisierten, retrospektiven Betrachtung einzelner Ereignisse interpretieren. Aber davon verschafft euch lieber selbst einen Eindruck.
Die Dialoge sind klar und jederzeit gut verständlich. Die Musik von John Williams ist unaufgeregt und weniger kraftvoll als STAR WARS, dafür erheblich einfühlsamer, die Handlung jederzeit passend begleitend und hervorhebend.
All diese wunderbaren Voraussetzungen hinsichtlich Cast, Technik und Score weiß Mastermind Spielberg in ein persönliches, ehrliches Drehbuch zu verpacken, gekonnt inszeniert an die Kinogänger zu bringen und das Kino selbst als einen magischen Ort zu präsentieren (wie Recht er doch damit hat!). Auch diese Leistung wurde mit einer Oscar Nominierung bedacht.

Persönliches Erzählkino im Rahmen eines Familiendramas über und von einem der größten Filmemacher und Geschichtenerzähler unserer Zeit. Grund genug, den Kadaver mal wieder Richtung Kino zu tragen.
Obendrauf gibt es noch den ultimativen Tipp einer anderen Regielegende für alle zukünftigen Filmemacher. Also auf geht´s.
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THE WHALE

#662 

Beitrag von MovieMan »

Der einsam und zurückgezogen lebende Charlie (B. Fraser) hat seinen Partner verloren. Zudem ist er aufgrund seines Körpergewichtes ein Gefangener seiner selbst und kann die Wohnung nicht mehr verlassen. Hilfe erhält er nur durch seine Freundin Liz, die ihn mit Essen versorgt und seine "Gesundheit" überwacht. Zu seiner alten Familie hat er eigentlich keinen Kontakt, baut aber aufgrund einer weiteren Schicksalswendung den Kontakt zu seiner 17jährigen Tochter Ellie, die er bisher vernachlässigt hat, auf. Zudem wird er auch noch von dem notorischen Evangelisten, Thomas, genervt. Eine Rückkehr in die Gemeinschaft erscheint aussichtslos, zumal er nicht mehr alle Zeit der Welt hat.

Was bin ich doch für ein Glückspilz! War es schon recht früh klar, dass ich die Oscarverleihung wieder im Savoy Kino Hamburg mit anderen Zuschauern verfolgen kann, hat sich das Kino mit einer Preview zunächst zurückgehalten. Dennoch wurde es geschafft, diesen mehrfach nominierten Film, als Preview unmittelbar vor der Oscarvergabe zu zeigen, obgleich der offizielle Kinostart in Deutschland erst Ende April 2023 ansteht.
Und was soll ich sagen? Es hat sich gelohnt.

B. Fraser gibt nach langer Kinoabstinenz eine einfühlsame Galavorstellung in einem Kammerspiel, wie ich es von dem Hauptcharakter aus DIE MUMIE so nicht erwartet habe. Im Einklang mit einer sensationellen Maskentechnik gelingt hier ein zutiefst berührendes Schauspiel. In seiner Wirkung wird der Zuschauer zwischen Ergriffenheit und Widerwillen extrem hin und hergeschüttelt, durch teils drastische Bilder bzw. Szenen, bei denen einem schon mal der Appetit vergehen kann. Der körperlichen und sprachlichen Zurückhaltung setzt Fraser seinem Charakter die drastische Offenbarung seines Seelenbefindens entgegen als Versuch, in seiner alten Familie wieder Fuß zu fassen und eigentlich schon resignierend die Segel gestrichen zu haben, bis er im wahrsten Sinne des Wortes noch einmal ganz über sich hinauswächst.
Im Vordergund steht das Thema der Vergebung untereinander für menschliches Fehlverhalten gepaart mit der Erkenntnis, dass das keine Einbahnstraße ist.
Für Fraser und Maske gab es heute Nacht zu Recht die Bestätigung mit dem Oscar für diese grandiose Leistung.

Kammerspielartiges, einfühlsames und hoch emotionales und berührendes Drama mit einem Comeback von B. Fraser auf der großen Bühne, sehr, sehr sehenswert.
Wer jetzt nicht hingeht, dem kann ich auch nicht helfen. Rechtzeitiger als ca. 6 Wochen vor offiziellem Kinostart kann auch ich keine Empfehlung aussprechen.
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SHAZAM!2 - FURY OF THE GODS

#663 

Beitrag von MovieMan »

Der junge Teenager Billy kann sich mittels Magie in sein erwachsenes Alter-Ego Shazam verwandeln, inklusive Superkräfte. Mit seinen "Geschwistern" in einer Pflegefamilie bildet er eine schlagkräftige Truppe gegen das Böse. Mit fast noch kindlichem Gemüt werden die Schurken des Alltags aus dem Weg geräumt. Doch nun entsendet Titan Atlas seine Töchter Hespera (H. Mirren) und Kalypso (L. Liu) auf die Erde, um Unfrieden zu stiften. Nicht nur, dass unsere Helden alle Hände voll zu tun hätten, befindet sich gerade Billy in einer emotionalen Krise, die ihn an seinem Wirken zweifeln lässt.

2. Teil des "kindlichen" Helden aus dem DC-Universe, etwas erwachsener als noch Teil 1 aber bei Weitem nicht so düster wie ein SUPERMAN oder BATMAN. Mit Teenagerhumor geht es in das Abenteuer wobei die Selstfindung eine genauso wichtige Rolle spielt.
Überproportional oft wird das Thema "Familie" analog der FAST AND FURIOUS Reihe überbetont. Die Antagonisten H. Mirren ud L. Liu geben sich charismatisch, ohne ihrem Spiel einen wirklichen Stempel aufdrücken zu können. Das Ergebnis ist schauspielerische Unterforderung. Der Rest des Castes agiert comichaft, was ja zu DC auch passt.
Konzeptionell ist hinsichtlich Action mehr los als im ersten Teil und man integriert Figuren aus dem Fantasy Bereich, was derzeit ja auch hip ist.
Besser macht es den Film nicht.

Tricktechnisch erweist sich die Optik als aufgebohrt, ohne die Brillianz der großen Produktionen zu erreichen. Der Ton war ok, schöpft aber auch nicht aus dem Vollen.

So präsentiert sich der Film storytechnisch, schauspielerisch und tricktechnisch wie ein Nischenprodukt, an dem das Interesse trotz sympathischen Charakteren wohl bald abgeflaut ist. Eher was für hartgesottene Fans des Hauptcharakters.
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DER PFAU

#664 

Beitrag von MovieMan »

Ein Bankerteam, dessen Struktur neu aufgestellt werden soll, findet sich auf einem abgelegenen schottischen Landsitz zu einem Teammeeting ein, um seinen Status den neuen Anforderungen einer Prüfung unterziehen zu können. Missmut wird nicht nur durch die nicht ganz komfortable Unterkunft sondern auch durch die externe Seminarleiterin Rebecca hervorgerufen. Köchin Helen ist bemüht, die Situation als nicht so schlimm wirken zu lassen, doch dieses Ansinnen funktioniert nur bedingt, da der Aufenthalt nicht so schnell endet wie gedacht. Schnell ist man schlechter Laune und schnell keimt auch Misstrauen untereinander auf. Das Verschwinden eines Pfaus und einer Gans bringen dazu noch mehr Unwegbarkeiten zu Tage.

Amüsantes Stelldichein deutscher Stars (u.a. J. Vogel, T. Schilling, A. Frier) in einer Romanverfilmung, welche immer so wirkt, als würde mit angezogener Handbremse agiert. Bevor es total eskaliert, richtet man sich trotzdem wieder ein. Da wäre mehr (Streit)potential gegeben als Grundlage für noch mehr Dialogschärfe. Der Dialogwitz kann auch mit Filmen wie DER VORNAME oder DAS PERFEKTE GEHEIMNIS nicht mithalten und wirkt still amüsant.
Das komödiantische Potential der Schauspielerriege wird bei Weitem nicht ausgeschöpft, gerade ein J. Vogel bleibt völlig unter seinen Möglichkeiten, was ggf. auch an der literarischen Vorlage liegen mag. Das Buch habe ich nicht gelesen und kann daher auch nicht beurteilen, inwieweit der Film von der Romanvorlage abweicht.
Auch das Potential der Sidestory über einen verschwundenen Pfau wird nicht ausgereizt. Dabei bietet das Setting auf dem schottischen Landsitz alles, um ein spannend heiteres Edgar Wallace ähnliches Ambiente zu schaffen.

Die Geschichte selbst ist schon speziell. Nur Personen, die selbst in einem Team mit konkurrierenden Teammitgliedern arbeiten, dürften sich in dieser Geschichte wiederfinden.

Still amüsanter Film, der m.E. unter seinen Möglichkeiten bleibt und sich damit der Chancen auf eine bessere Wahrnehmung durch das Publikum beraubt.
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JOHN WICK: KAPITEL 4

#665 

Beitrag von MovieMan »

Die Hohe Kammer hat von den Eskapaden des Profikillers J. Wick genug und will ihn nun endgültig aus dem Weg räumen. Beauftragt wird der Maquis de Gramont (B. Skarsgard), dieses Ansinnen in die Tat umzusetzen. Dieser hat sich einen perfiden Plan ausgedacht und zieht die Schlinge um Wick immer weiter zu. Nicht nur, dass ein Killer der Extraklasse auf ihn angesetzt wird, sondern dass zusätzlich auch alle 08/15 Killer auf ihn gehetzt werden, lässt deutlich werden, wie ernst es die Hohe Kammer meint. Dennoch hält Wick daran fest, sich aus den Zwängen der Organisation für immer zu befreien. Die Einschnitte, die er und seine noch getreuen Freunde dafür hinnehmen müssen sind hart und den Möglichkeiten ist ein zeitliches Limit gesetzt.

Ich habe mal mit Absicht den Inhalt nur grob umrissen, um bloß nicht zu viel zu spoilern.
Wow, dachte ich nach Teil 3, dass eine Steigerung gar nicht mehr möglich erscheint, habe ich mich deutlich geirrt. Die Action ist noch irrer, ausufernder und bombastischer, als in allen vorangegangenen Teilen. Verdanken kann man das der Stuntcrew, die Treppenstunts, Kampfstunts und eine Art von Autostunts derart actionreich und explosiv verwirklicht hat, dass es dem Zuseher den Atem anhalten lässt. Selbst K. Reeves musste den Umgang z.B. mit einem Nunchako sowie die Choreographien erst lernen.
Und so schießt, säbelt und prügelt sich Wick durch fast 3 Stunden Filmzeit von Hotspot zu Hotspot. Es gleicht einem Videospiel an dessen Ende einer jeden Zwischensequenz ein größerer Endgegner wartet, bis ganz am Ende das Zusmmentreffen mit dem Superendgenner bevorsteht. Dieser wird von B. Skarsgard in einer Weise verkörpert, die einem der guten alten Bondbösewichte das Wasser reichen kann. Mit ihm hat man einen starken und gnadenlosen Antagonisten erschaffen, der ein Gesicht hat und aus dem Schatten der unpersönlichen Organisation der Hohen Kammer heraustreten kann. An diesem muss sich Wick beweisen.
Eingepackt ist das in eine Geschichte um Leid, Vergebung, Ehre, Treue und Freundschaft, die in ihrer Tragik und Explosivität der Handlung für einen Actionfilm gradewegs nun epische Ausmaße erreicht hat.
Noch nie hat man wohl seit ROCKY, RAMBO und DIE HARD so um einen liebgewonnenen Actionantihelden mitfiebern müssen. Wick reiht sich damit nun endgültig in diese Reihe der Superactionikonen ein - das Erreichen eines Höhepunktes.
Und während die anderen Vorgenannten eher als Actionarbeiter betrachtet werden können, ist Wick ein Stylist seines Faches, von Kleidung bis Kampfstil herrscht Stylealarm.

Ein weiteres Highlight ist die Kameraführung. Die Kamera ist so nah dran, dass alle Szenen hoch dynamisch eingefangen werden können, sei es aus der Totalen, Halbtotalen oder im Closeup. Höhepunkt ist ein Kampf durch ein leeres Haus aus der Vogel- bzw. Drohnenperspektive, von Zimmer zu Zimmer, durch Türen und Wände. Übrigens erlangt der Begriff "Feuerwaffe" in diesen Szenen eine ganz neue Bedeutung. Das habe ich so noch nie gesehen.
Die Oneshot-Szene könnte so auch von einem Q. Tarantino stammen.
Die Beleuchtung tut das Übrige. Die eigentlich dunklen Sets sind so ausgeleuchtet, dass man immer was sehen kann und die Konturen nicht vermatschen.
Der Ton spielt in der ganz großen Liga mit. Heftiger, druckvoller Bass paart sich mit glasklaren Höhen, bei sehr guter Verständlichkeit der Dialoge. Räumlichkeit und Surroundeffekten wird der notwendige Platz eingeräumt, um ein expressives Sounderlebnis zu gestalten.
In dem IMAX Sälen müssten einem die Ohren abfliegen und die Magenwand dürfte in Wallung/Schwingung kommen.

Strittig ist vielleicht die Frage ob der Film bei einer Spielzeit von 2 Stunden 50 Minuten Längen aufweist. Ich nenne es eher Verschnaufspause für den Zuschauer. AVATAR hatte m.E. wesentlich mehr inhaltlichen Leerlauf. Im Übrigen sind solche Actionpausen auch wichtig, damit man den nächsten Kampf auch wieder genießen kann. Diese Abwechselung hat mir schon bei TOP GUN MAVERICK extrem gut gefallen.

Das Ende des Films wird vielleicht die Zuschauer spalten, doch lässt es auch viele Möglichkeiten offen.
Sitzenbleiben bis zur letzen Sekunde ist aufgrund einer Postcredit-Szene Pflicht. Die Wartezeit kann man im Abspann damit überbrücken, dass man sich als Deutscher über die Mitwirkung des ältesten Großatelier-Filmstudios der Welt freuen kann - Babelsberg.

Epische Actionmeisterleistung mit einem K. Reeves in Hochform. Genau dafür hat man Kinos gebaut.
Also sollten auch die Streamingaktivisten unter euch ihren am Sofa festgeklebten Hintern mal lösen und den nächsten Kinosaal aufsuchen.
Ich werde mich wohl bei diesem Film als Wiederholungstäter beweisen, solange ich den Film in dieser Form erleben darf, das nächste Mal wohl im IMAX Format.
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